Websitenavgation: Sind Breadcrumbs heute noch sinnvoll?
Ich habe gerade einen Artikel von Noah Davis gelesen, in dem er argumentiert, dass Breadcrumbs in modernen, nicht-linearen und kontextgesteuerten Webumgebungen an Relevanz verloren haben. Stattdessen rücken dynamische und personalisierte Navigationssysteme in den Vordergrund, die besser auf die Erwartungen der Nutzer eingehen und sich individuell auf deren Bedürfnisse anpassen. Somit ist Navigation nicht mehr linear, sondern rein kontextbezogen und bedürfnisorientiert. Eine Breadcrumb- Navigation somit nutzlos.
Wir bestimmen unseren Weg
In seinem Artikel wird deutlich, wie unmündig Websitebetreiber ihre Nutzer halten möchten. Sich immer tiefer in den Sumpf eigener Gedanken und Themenwelten zu verstricken – unter dem Vorwand der Nutzerfreundlichkeit – scheint das Marketingziel zu sein. Diesen Ansatz halte ich in der Welt, in der wir leben, für sehr gefährlich. Denn es bleibt nicht dabei, wie wir uns isoliert auf einer Website bewegen, sondern unser Surfverhalten auf einzelnen Seiten hat großen Einfluss auf unser gesamtes Netzerlebnis (wenn wir uns nicht vor Verfolgung schützen). Mit dieser gesteuerten Fokussierung auf eigene Themen wird uns die Möglichkeit genommen, nach rechts und links zu schauen, unseren eigenen Blick auf das Unbekannte zu richten. Wir bleiben in unserer Erlebniswelt gefangen.
Mit Empathie: Verstehen, wie Menschen sich bewegen
Die Art und Weise, wie Menschen sich auf Websites bewegen, ist sehr unterschiedlich – einige suchen gezielt nach Informationen, andere lassen sich von Inhalten treiben, während wieder andere eine klare Struktur bevorzugen. Eine gute Informationsarchitektur sollte all diese Verhaltensweisen berücksichtigen.
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Der Fokussierte oder Ungeduldige: Wo ist die Suchfunktion?
Da gibt es Menschen mit wenig Zeit, die gezielt und ganz isoliert die Suchfunktion einer Seite verwenden. Sie geben Begriffe ein und erwarten eine präzise Trefferliste. Ist das Gesuchte dabei, sind sie zufrieden und bewegen sich weiter im Webangebot. Hier halte ich Orientierung mit Hilfe einer Breadcrumb für sehr sinnvoll, weil es immer eine Bedeutung hat, in welchem Kontext ich mich befinde (bin ich z.B. auf einer technischen Seite im Bereich von Anwendern oder Entwicklern?). -
Der strukturiert Denkende
Diese Nutzer interessieren sich für ein bestimmtes Thema, sie bevorzugen klare Strukturen und orientieren sich an der Navigation, an Kategorien oder an den Breadcrumbs-Navigation, um ihren Standort zu verstehen und gezielt zwischen Ebenen zu wechseln. -
Der Neugierige – Das gefundene Fressen für Algorithmen
Diese Gruppe bewegt sich durch den Inhalt einer Seite indem sie Verlinkungen und algorithmisch vorgeschlagene Inhalten folgen . Sie lassen sich von interessanten Themen treiben und springen von einem Artikel oder Produkt zum nächsten. Plattformen wie YouTube oder Netflix basieren auf diesem Prinzip und halten Nutzer so lange wie möglich in einem endlosen Strom neuer Inhalte. Eine Website ohne Breadcrumbs zwingt Nutzer in eine vordefinierte, algorithmusgesteuerte und scheinbar bedürfnisorientierte Navigation. Sie verlieren die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wo sie sich befinden und wie sie zurückspringen können. Statt einer inklusiven und vielseitigen Navigation entsteht eine Website, die nur darauf abzielt, die Verweildauer künstlich zu erhöhen. Der Nutzer ist kein freies Wesen mit eigener Entscheidungsgewalt mehr, sondern wird Opfer der Algorithmen.
Respekt vor unseren Nutzern
Als Webentwickler liegt unsere Verantwortung darin, die Vielfalt des Nutzerverhaltens zu verstehen und die Navigation so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen aller unserer Nutzer gerecht wird. Gleichzeitig sollte uns bewusst sein, dass wir mit algorithmisch vorgeschlagenen Inhalten direkten Einfluss auf die Meinungsbildung und Erfahrungen unserer Nutzer nehmen. Eine Website, deren Navigation sich in Echtzeit an die Bedürfnisse ihre Benutzers anpasst scheint im ersten Moment wirklich benutzerfreundlich zu sein, wirft aber ein großes ethisches Problem auf.
Wenn wir Nutzerverhalten auswerten und Inhalte gezielt den scheinbaren Bedürfnissen entsprechend ausspielen – was ohne das Sammeln von Nutzerdaten nicht geht – schränken wir die intellektuelle Vielfalt ein. Kritisches Auseinandersetzung und das Betrachten aus unterschiedlichen Perspektiven ist nicht mehr möglich.
So ein Netz wollte ich nie.